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Der Verlauf und der Erfolg in vielen Gerichtsverfahren hängt sehr oft von der Meinung von (Gerichts-) Sachverständigen ab. Daher ist die Richtigkeit und Zuverlässigkeit von Sachverständigengutachten für die Parteien eines Verfahrens von besonderer Bedeutung. Dazu kommen auch die Kosten des Sachverständigen selbst. Es gibt immer wieder eine Reihe von gerichtlichen Verfahren, in denen die Sachverständigengebühren zum Ende des Verfahrens höher sind als der eigentliche Streitwert.

Sachverständiger im Sinne des Gesetzes ist jede Person, die eine Tätigkeit ausübt, die ein besonderes Können oder Fachwissen voraussetzt (vgl. § 1299 ABGB). Dies gilt nicht nur für Ärzte, Krankenschwestern, Rechtsanwälte, Notare, Banken, Steuer- und Unternehmensberater, sondern nach der Rechtsprechung beispielsweise auch für Privatgutachter, Immobilienmakler, Architekten, aber ebenso für einen Bodenverleger oder einen Baustellenkoordinator (und viele andere mehr). Die Bestimmung des § 1299 ABGB gilt für alle Berufe, die eine besondere Sachkenntnis erfordern, unabhängig davon, ob jemand selbstständig oder unselbstständig arbeitet. Maßgeblich ist jeweils der Leistungsstandard der jeweiligen Berufsgruppe. So schuldet etwa ein Rechtsanwalt keinen (Prozesserfolg), sondern eine sorgfältige Beratung; dies ist insoferne auch logisch, zumal es in jedem Verfahren einen „Sieger“ und einen „Verlierer“ geben kann, ohne dass deswegen ein Haftungsfall eines Anwalts vorliegen würde. Rechtsanwälte haften bei Unkenntnis der Gesetze oder einheitlicher Lehre und Rechtsprechung, grundsätzlich jedoch nicht für eine „irrige“, aber vertretbare Rechtsauffassung. Den Steuerberater treffen ebenso sehr umfassende Aufklärungs- und Handlungspflichten; der Schaden wegen eines Beratungsfehlers durch einen Steuerberater entsteht bereits mit erstinstanzlichen Steuerbescheid, nicht erst mit rechtskräftigen Abschluss eines Steuerverfahrens. Gerade im Zusammenhang mit sehr schlecht verlaufenden Fremdwährungskrediten wird jüngst immer wieder die Haftung von Anlageberatern und Banken diskutiert. Fehlerhafte Anlageberatungen können eine Haftung begründen, wobei die Beweislast über eine ordnungsgemäße Aufklärung die Bank trifft. Klarerweise kann auch (gerichtlich bestellte) Sachverständige eine Haftung treffen, wenn ein unrichtiges Gutachten einen Schaden verursacht. Dies kann auch für ein unrichtiges Privatgutachten gelten. Auch Ärzte und Krankenanstalten haben gemäß § 1299 ABGB einen allfälligen Mangel der ordentlichen und gewissenhaften Betreuung ihrer Patienten unter Rücksichtnahme auf eine ärztliche Wissenschaft und Erfahrung zu vertreten. Hier ist insbesondere die Haftung zu unterscheiden zwischen der Haftung bei Behandlungs- bzw. Kunstfehlern einerseits und einer mangelnden und einer Verletzung der Aufklärungspflicht andererseits. In einem Verfahren, in welchem ich selbst als Klagevertreter beteiligt war, hatte der Kläger vorprozessual ein Privatgutachten eingeholt. Dieses Privatgutachten hatte den Zweck, eine Schadenersatzhöhe für einen darauffolgenden Zivilprozess zu ermitteln. Der in einem späteren Verfahren beklagte Privatsachverständige hatte in seinem Gutachten einen deutlich zu hohen Schadenersatzbetrag ermittelt. Dies hatte im darauffolgenden Verfahren negative Kostenfolgen aufgrund einer sogenannten „Überklagung“. Der daraus resultierende Schaden wurde mit Erfolg vom Gutachter auf dem Klagsweg „zurückgeholt“. Eine außergerichtliche Einsicht im Hinblick auf das fehlerhafte Gutachten war beim Beklagtengutachter nicht gegeben. Das erstellte Privatgutachten war zwar rechnerisch richtig, jedoch insoferne mangelhaft, als der Sachverständige nicht auf unterschiedliche Berechnungsmethoden ausreichend hingewiesen hatte. Im darauffolgenden Verfahren vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien (5CG 28/14v) sprach das Gericht Folgendes aus: Nach § 1299 ABGB unterliegen Sachverständige einem strengeren Sorgfaltsmaßstab als Allgemein in § 1297 ABGB vorgesehen ist. Sie müssen den durchschnittlichen Fähigkeiten und dem Leistungsstandard nicht eines Durchschnittsmenschen, sondern ihrer jeweiligen Berufungsgruppe entsprechen. Tätigkeiten, die ein bestimmtes Können und bestimmte Kenntnisse voraussetzen, müssen mit der für eben diese Tätigkeiten üblichen Sorgfalt ausgeführt werden. Entscheidend sind die Berufsgruppe, der betroffene Verkehrskreis und die Erwartungen des jeweiligen Verkehrs. Der Sachverständige haftet jedoch nicht, wenn das nach den Regeln der Wissenschaft erarbeitete Gutachten in der Folge nicht standhält. Er muss aber den Auftraggeber auf allfällige Risiken hinweisen; dies insbesondere dann, wenn er weiß, dass der Auftraggeber sein weiteres Verhalten vom Inhalt des Privatgutachtens abhängig machen wird. Im vorliegenden Fall hatte der Beklagte seine Warnpflicht verletzt. Er hatte nämlich im Gutachten nicht darauf hingewiesen, dass das Gutachten unter einer bestimmten technischen Prämisse erstattet wurde und nur unter Annahme dieser Funktion richtig gewesen war, nicht jedoch das ohne weiteres auch andere Parameter zugrunde gelegt werden können. Das Gutachten war in weiterer Folge für den Kläger für den angestrebten Zivilprozess unbrauchbar. Da der Kläger das Gutachten zur Grundlage seiner Disposition machte, die schließlich zum Schadenseintritt, nämlich der durch die Überklagung im Zivilprozess verursachten Kosten führte, steht der Mangel des Gutachtens im kausalem Zusammenhang mit dem Schadenseintritt und ist daher der Schaden vom beklagten Privatgutachter zu ersetzen. Der beklagte Privatgutachter hatte daher dem Kläger den verursachten Schaden zu ersetzen. Das Oberlandesgericht Wien bestätigte diese Entscheidung und ergänzte, dass der Beklagte für dem von ihm zu vertretenden Kunstfehler, der zu einer überhöhten Einklagung geführt hatte, haftet.

Zu diesem Themenkreis darf ich auf zwei interessante Entscheidungen (Urteil im Volltext erste Instanz als PDF und Urteil im Volltext zweite Instanz als PDF) verweisen, die sich mit der Haftung eines Sachverständigen für ein fehlerhaftes bzw mangelhaftes Sachverständigengutachten befassen. Durch die zugrundeliegende Klage ist es gelungen, den durch ein falsches bzw mangelhaftes Gutachten erlittenen Schaden ersetzt zu bekommen. Für Fragen im Zusammenhang mit Haftungs- bzw. Schadenersatzrecht stehe ich Ihnen sehr gerne zur Verfügung.