Versicherungsregress – Was ist das – kann man sich dagegen wehren?
Es gibt Fälle, in denen eine Versicherung nach dem Eintritt eines Unfalls oder Schadens vom Schädiger einen Geldersatz verlangt. Dabei handelt es sich um Fälle, bei denen ein Schadenersatzanspruch auf den Versicherer bzw. die Versicherung übergehen kann (Regress der Versicherung).
Ausgangslage: Soferne ein Versicherungsnehmer einen Schaden erleidet besteht die Möglichkeit, dass er gegen einen Dritten, d.h. den Verursacher des Schadens Schadenersatzansprüche hat; etwa wird ein kaskoversichertes Firmenauto bei einem Verkehrsunfall beschädigt, den der Fahrer, ein Dienstnehmer des Unternehmens selbst verschuldet hat. Der Versicherungsnehmer hätte sodann zwei Ansprüche, nämlich einen Schadenersatzanspruch gegen den Schädiger und einen Anspruch gegen seine Versicherung. Würde er zweimal eine Entschädigung verlangen, so würde dies zu einer Bereicherung führen.
Aus diesem Grund legt § 67 Versicherungsvertragsgesetz fest: Steht dem Versicherungsnehmer ein Schadenersatzanspruch gegen einen Dritten zu, so geht der Anspruch auf den Versicherer über, soweit dieser dem Versicherungsnehmer den Schaden ersetzt. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers geltend gemacht werden. Gibt der Versicherungsnehmer seinen Anspruch gegen den Dritten oder ein zur Sicherung des Anspruches dienendes Recht auf, so wird der Versicherer von seiner Ersatzpflicht insoweit frei, als er aus dem Anspruch oder dem Recht hätte Ersatz erlangen können. Richtet sich der Ersatzanspruch des Versicherungsnehmers gegen einen mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebenden Familienangehörigen, so ist der Übergang ausgeschlossen; der Anspruch geht jedoch über, wenn der Angehörige den Schaden vorsätzlich verursacht hat.
Mit anderen Worten bedeutet dies, dass ein Schadenersatzanspruch, der dem Versicherungsnehmer gegenüber einem dritten Schädiger zustünde, auf die Versicherungsgesellschaft übergeht, soweit diese dem Versicherungsnehmer den Schaden ersetzt hat. Somit erlangt die Versicherung das Recht, nach der erbrachten Leistung an den Versicherungsnehmer sich gegenüber dem Schädiger zu regressieren. Das heißt, die Versicherung verlangt Geld zurück.
Mitunter werden jedoch solche Regressforderungen gestellt, die bei richtiger Betrachtung nicht zustehen.
Beispielsweise ist der Lenker eines Kraftfahrzeuges, der weder Versicherungsnehmer noch ein Familienangehöriger des Versicherungsnehmers und auch nicht Eigentümer des Kraftfahrzeuges ist (beispielsweise ein Dienstnehmer des Versicherungsnehmers) und der einen Schaden am versicherten Kraftfahrzeug verschuldet, einem Regressanspruch ausgesetzt. In Art. 10 der Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrzeug-Kaskoversicherung (AKKB) ist sodann näher geregelt, unter welchen Voraussetzungen eine Versicherungsleistung zurückgefordert werden kann und wo Einschränkungen des Regressrechtes des Versicherers bestehen. Demnach findet § 67 Versicherungsvertragsgesetz gegenüber dem berechtigten Lenker nur dann Anwendung, wenn auch einem Versicherungsnehmer (als Fahrzeuglenker) bei gleichem Sachverhalt Leistungsfreiheit einzuwenden gewesen wäre. Aus diesem Grund besteht im Wesentlichen nur dann ein Rückgriffsrecht, wenn der Lenker einen Unfall entweder grob fahrlässig herbeigeführt hat oder eine Obliegenheitsverletzung (z.B. alkoholisiertes Fahren oder Lenken ohne Führerschein) begangen hat. Der Oberste Gerichtshof hat in einer Entscheidung (OGH 7Ob187/13w) ausgesprochen, dass falsche Angaben gegenüber der Polizei keinen Verstoß gegen die Aufklärungspflicht des Versicherungsnehmers darstellen, wenn dieser dem Versicherer gegenüber den tatsächlichen Sachverhalt mitgeteilt und nicht beispielsweise dem Versicherer gegenüber auf die vor der Polizei gemachten (falschen) Angaben verwiesen hat. In einem anderen Fall rutschte der Versicherungsnehmer, der mit seinem Kraftfahrzeug zu schnell unterwegs war von der Fahrbahn und beschädigte ein Bankgebäude. Er fuhr nachhause, die Polizei wurde nicht verständigt. In weiterer Folge lehnte die Versicherung die Deckung ab und argumentierte, dass es im Nachhinein nicht möglich sei, eine Prüfung einer eventuellen Alkoholisierung oder Übermüdung des Versicherungsnehmers durchzuführen. In der Entscheidung des Obersten Gerichtshof 7Ob177/14a wurde ausgesprochen: Der Umstand, dass sich ein Unfall in der Nacht ereignet, indiziert für sich alleine noch keine Übermüdung oder Alkoholisierung. Eine konkrete Verdachtslage zum Vorliegen einer Alkoholisierung oder einer sonstigen Beeinträchtigung des Fahrers konnte die Versicherung nicht beweisen.
Es kann daher sinnvoll sein, einen behaupteten Regressanspruch kritisch zu überprüfen. In einem jüngst von mir durchgeführten Verfahren konnte die Regressklage der Versicherung erfolgreich abgewehrt werden. Das Gericht hat dazu in der rechtlichen Beurteilung ausgesprochen: Gemäß Art. 9.3.4 AKHB hat der Versicherungsnehmer nach Möglichkeit zur Feststellung des Sachverhaltes beizutragen, tut er dies nicht, so wird festgehalten, dass auch dies eine Obliegenheitsverletzung darstellt, die nach Eintritt des Versicherungsfalles die Freiheit des Versicherers von der Verpflichtung zur Leistung bewirkt (§ 6 Abs. 3 VersVG). Gemäß § 4 Abs. 5 StVO haben die in Abs. 1 genannten Personen, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, die nächste Polizeidienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs. 1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben. (…) Die Übertretung des § 4 Abs. 5 StVO ist für sich allein nicht schon einer Verletzung der Aufklärungspflicht gleichzuhalten. Es vielmehr notwendig, dass ein konkreter Verdacht in eine bestimmte Richtung durch objektives „Unbenützbarwerden“ (objektive Beseitigung ) eines Beweismittels infolge Unterlassung der Anzeige im Nachhinein nicht mehr mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Der konkrete Verdacht und die Unbenützbarkeit des Beweismittels muss der Versicherer behaupten und beweisen (OGH 5.11.2014, 7Ob 177/14a).
Im Lichte der soeben zitierten Judikatur ist zu sagen, dass es der klagenden Versicherung nicht gelungen ist, zu beweisen, dass der Beklagte zum Unfallzeitpunkt fahruntüchtig aufgrund einer Alkoholisierung oder sonst fahruntüchtig gewesen wäre und auch nicht, dass sich der Beklagte einer Überprüfung seiner Fahrtauglichkeit entziehen wollte. Wenngleich das Verhalten des Beklagten richtigerweise so gewesen wäre, dass er unmittelbar nach dem Unfall die Polizei verständigt, so ist durchaus nachvollziehbar, dass der Beklagte aufgrund des erlittenen Schockzustandes wie festgestellt gehandelt hat. Dies allein reicht jedoch nicht aus, ihm vorzuwerfen, er hätte nicht im erforderlichen Ausmaß zur Feststellung des Sachverhaltes beigetragen. Mit einer Selbstanzeige am nächsten Tag ist er dieser Verpflichtung nach seinen subjektiven Möglichkeiten gerade noch nachgekommen, ein weiteres Zuwarten hätte möglicherweise zu einer anderen rechtlichen Beurteilung geführt. Dem Beklagtenvertreter ist beizupflichten, dass der Umstand, dass sich der Unfall in der Nacht ereignete, für sich noch keine Übermüdung oder Alkoholisierung des Beklagten indiziert (vgl. abermals OGH 5.11.2014 7Ob177/14a). Eine konkrete Verdachtslage zum Vorliegen einer Alkoholisierung oder sonstigen Beeinträchtigung des Beklagten lag daher nicht vor, genauso wenig konnte bewiesen werden, dass der Beklagte die Überprüfung seiner Fahrtauglichkeit verunmöglichen wollte. Das Klagebegehren war daher zur Gänze abzuweisen.
Anzumerken ist, dass diese erstinstanzliche Entscheidung von der klagenden Versicherung nicht angefochten wurde und rechtskräftig wurde. Die Entscheidung kann im beiliegenden PDF-File im Volltext nachgelesen werden.
Für Fragen im Zusammenhang mit einem Versicherungsregress stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung. Aufgrund der Komplexität der damit verbundenen Sach- und Rechtslage mache ich darauf aufmerksam, dass ein ausführliches persönliches Gespräch mit sämtlichen Unterlagen in einem solchen Fall unumgänglich ist.